Gemeindliche Bauleitplanung in der Bundesrepublik Deutschland
Dr. Andreas Middeke, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Münster
(nach
Dürr/Middeke/Schulte Beerbühl, BauR NRW, 4. Aufl., Baden-Baden, 2013, Rn. 6 ff.)
- Allgemeines
Die gemeindliche Bauleitplanung ist das Kernstück des modernen Städtebaurechts in Deutschland. Sie soll eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten und dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern. Die gemeindliche Bauleitplanung der Bundesrepublik Deutschland ist im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt und obliegt den Gemeinden. Nach dem Grundsatz der Planmäßigkeit soll die bauliche Nutzung bisher unbebauter Grundstücke nicht dem Zufall oder dem Willen des jeweiligen Grundstückseigentümers überlassen bleiben. Vielmehr hat die Gemeinde eine für ihr Gebiet umfassende Überplanung vorzunehmen. Diese Überplanung nehmen die Gemeinden in einem zweistufigen Verfahren vor. Zunächst werden für das gesamte Gemeindegebiet ein vorbereitender Bauleitplan (Flächennutzungsplan) und anschließend zur näheren Ausgestaltung der vorbereiteten Nutzung verbindliche Bauleitpläne (Bebauungspläne) aufgestellt (§ 1 Abs. 2 BauGB). Diese Zweistufigkeit soll gewährleisten, dass die Gemeinde sich Gedanken über die grundsätzliche Nutzung des Gemeindegebiets und die räumliche Zuordnung der verschiedenen Nutzungsarten (z.B. Wohngebiete, Gewerbegebiete, Sportanlagen, Verkehrswege) machen muss. Hierbei handelt sich um eine weisungsfreie Pflichtaufgabe (§ 3 Abs. 1 GO NRW), also um eine Angelegenheit der Selbstverwaltung der Gemeinde i.S.d. Art. 28 Abs. 2 GG. Die Gemeinden haben Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB). Die Erforderlichkeit zur Bauleitplanung unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff voller gerichtlicher Kontrolle. Nicht erforderlich ist ein Bebauungsplan dann, wenn seine Festsetzungen sich aus tatsächli-chen oder rechtlichen Gründen nicht verwirklichen lassen. Hierzu können z. B. auch unüberwindbare finanzielle Hindernisse oder sonstige langfristige Hindernisse zählen, wenn beispielsweise Grundstückseigentümer nicht bereit sind, die für die geplante Nutzung benötigte Fläche zu verkaufen.
- Gesetzliche Schranken der Bauleitplanung
Bei der Aufstellung von Bauleitplänen unterliegt die Gemeinde vielfältigen tatsächlichen und rechtlichen Bindungen. Zu unterscheiden ist zwischen zwingenden gesetzlichen Anforderungen und sog. Optimierungsgeboten.
- Gesetzliche Schranken bei der gemeindlichen Bauleitplanung sind:
- Ziele der Raumordnung und Landesplanung (§ 1 Abs. 4 BauGB)
Die Bauleitpläne sind nach § 1 Abs. 4 BauGB den Zielen der Raumordnung und Landesplanung, also den Planungsentscheidungen auf überörtlicher Ebene anzupassen.
- Interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB)
Die Gemeinden müssen auch die Planungen benachbarter Gemeinden sowie überörtlicher Planungsträger berücksichtigen und ggf. aufeinander abstimmen (materielle Abstimmungspflicht). Die formelle Abstimmungspflicht beinhaltet die Anhörung der Nachbargemeinde bei der Aufstellung eines Bauleitplans. Bsp.: Es verstößt gegen das Gebot interkommunaler Abstimmung, wenn die Gemeinde unmittelbar an der Gemeindegrenze in der Nachbarschaft eines Wohngebiets der Nachbargemeinde einen Schlachthof plant.
- Fachplanerische Vorgaben
Daneben hat eine Gemeinde Planungsentscheidungen weiterer Fachplanungsgesetze wie z.B. für Straßenbau, Abfallentsorgung, Luftfahrt, Energieanlagen, Wasserwirtschaft zu beachten und bei der Bauleitplanung einzubeziehen.
- Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 1 a Abs. 3 BauGB)
Desweiteren hat die Gemeinde bei ihrer Bauleitplanung die Vermeidung zu erwartender Eingriffe in Natur und Landschaft sowie – bei Nichtvermeidung – deren Ausgleich zu berücksichtigen. , z. B.: 50 m breite Wildbrücke über eine Autobahn oder Ersetzung einer alten Feldhecke durch eine doppelt so große neue Feldhecke oder Renaturierung einer Kiesgrube .
- Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4, § 2 a BauGB)
Die europarechtlich mit der Plan-UP-Richtlinie vorgegebene Umweltprüfung erfolgt im Rahmen des Aufstellungsverfahrens. Sie führt zu einer systematischen Erfassung aller Umweltauswirkungen. Ihr Ergebnis ist in einem Umweltbericht zusammen zu fassen, der Teil der Begründung des Flächennutzungsplans und des Bebauungsplans ist.
- Optimierungsgebote
Es handelt sich um gesetzliche Vorrangregelungen, die der Gemeinderat möglichst beachten soll, die aber aber im Einzelfall im Wege der Abwägung mit anderen öffentlichen oder privaten Belangen zurückgestellt werden können. Das BVerwG spricht insofern auch von Abwägungsdirektive.
- Planungsleitsätze
- Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB)
Nach § 1 Abs. 2 BauGB umfasst der Oberbegriff “Bauleitplan” den Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und den Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
- Flächennutzungsplan
Der Flächennutzungsplan erstreckt sich nach § 5 Abs. 1 BauGB über das gesamte Gemeindegebiet. Er enthält nur eine grobmaschige Planung. Im Flächennutzungsplan werden deshalb i.d.R. nur Bauflächen, nicht aber bereits einzelne Baugebiete dargestellt. Die Einzelheiten zur Bebauung werden erst später in den Bebauungsplänen geregelt. Der Flächennutzungsplan ist das “grobe Raster”, aus dem nach dem Entwicklungsgebot die Bebauungspläne zu entwickeln sind. Dieses schließt es freilich nicht aus, dass der Flächennutzungsplan im Einzelfall bereits sehr konkrete Darstellungen enthält. Seine Rechtsnatur wird überwiegend als hoheitliche Maßnahme eigener Art bezeichnet.
- Der Bebauungsplan
Auf der Basis des grobmaschigen Flächennutzungsplans ist der Bebauungsplan für einzelne Teile des Gemeindegebietes zu entwickeln. Die im FNP getroffene Grundentscheidung zur baulichen Nutzung darf hierdurch allerdings nicht verändert werden. Der Grundsatz, dass der Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln ist, hat zwei bedeutsame Ausnahmen erfahren.
- a) Selbständiger Bebauungsplan (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BauGB)
Nach der sog. abstrakten Betrachtungsweise ist ein Flächennutzungsplan dann nicht erforderlich, wenn der Bebauungsplan wegen der geringen Bautätigkeit in der Gemeinde zur Gewährleistung der städtebaulichen Ordnung ausreicht; dieses wird allenfalls in kleinen Landgemeinden der Fall sein. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise ist ein Flächennutzungsplan ferner dann entbehrlich, wenn die praktische Bedeutung des Bebauungsplans so unbedeutend ist, dass die Grundkonzeption der Planung von ihm nicht berührt wird. Bsp. Der Bebauungsplan umfasst nur ein 1,6 ha großes, bereits weitgehend bebautes Gebiet.
- b) vorzeitiger Bebauungsplan (§ 8 Abs. 4 BauGB)
Hat die Gemeinde keinen wirksamen Flächennutzungsplan, kann sie gleichwohl einen Bebauungsplan aufstellen, wenn dringende Gründe dieses erfordern und der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung nicht entgegensteht. Dringende Gründe sind anzunehmen, wenn die sofortige Aufstellung des Bebauungsplans erheblich gewichtiger ist als das Festhalten an dem Entwicklungsgebot. In einem solchen Fall muss dann aber nachträglich ein Flächennutzungsplan aufgestellt werden, der die Festsetzungen des Bebauungsplans übernimmt. Bsp. a) Zur Beseitigung der Wohnungsnot ist dringend die Schaffung weiterer Baugebiete erforderlich (BVerwG NVwZ 1985, 745). b) Eine ländliche Gemeinde stellt einen Bebauungsplan auf, um die Errichtung eines uner-wünschten großen Appartementhauses zu verhindern (VGH Mannheim BRS 38 Nr. 108). c) Eine Stadt benötigt zur Altstadtsanierung dringend die Ansiedlung eines Kaufhauses (VGH Mannheim VBlBW 1982, 229).
- Allgemeingültige Planungsprinzipien
Die Gemeinde muss bei der Bauleitplanung schließlich die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden allgemein gültigen Planungsleitsätze beachten. Die Nichtbeachtung dieser Prinzipien führt zur Nichtigkeit des Bebauungsplans.
- Gebot äußerer Planungseinheit
Für ein Gebiet darf nur ein Bebauungsplan existieren ; unschädlich ist allerdings, wenn ein späterer Plan einen früheren ergänzt. Möglich ist es auch, dass das Gemeindegebiet je nach Bedarf und Erforderlichkeit in verschiedene Sektoren unterteilt wird, für die dann selbständig ein jeweils eigenständiger Bebauungsplan aufgestellt wird.
- Gebot positiver Planung
Der Bebauungsplan muss Festsetzungen enthalten, die positiv bestimmen, welche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist. Eine bloße „Negativplanung“ (Verhinderungsplanung) ist unzulässig, wenn Festsetzungen nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur das vorgeschobene Mittel sind, eine andere Nutzung zu verhindern. Bsp.: Wenn die Gemeinde in Wirklichkeit keine land- bzw. forstwirtschaftliche Nutzung will, ist die Festsetzung von Flächen für die Forst- und Landwirtschaft in einem Bebauungsplan wegen des Verstoßes gegen das Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit unzulässig, sofern diese nur dazu dienen soll, eine andere Nutzung (Bebauung oder zweckfremde Nutzung) zu verhindern. Auch wenn die Verfolgung negativer Zielvorstellungen im Einzelfall der Hauptzweck einer Planung sein kann ist entscheidend, dass die planerische Ausweisung eine positive planerische Aussage über die zukünftige Nutzung zum Inhalt hat und sich nicht auf die bloße Abwehr jeglicher Veränderung durch die Aufnahme bestimmter Nutzungen beschränkt. Bsp.: Die Gemeinde weist eine Außenbereichsfläche als landwirtschaftliche Nutzfläche aus, um den Kiesabbau in einem landschaftlich reizvollen Bereich zu verhindern.
- Bestimmtheitsgebot
Der Bebauungsplan muss inhaltlich so bestimmt sein, dass die Betroffenen wissen, welchen Beschränkungen ihr Grundstück unterworfen bzw. welchen Belastungen es – beispielsweise durch Immissionen – ausgesetzt sein wird. Das Bestimmtheitsgebot ist erst dann verletzt, wenn sich der Inhalt der Festsetzungen eines Bebauungsplans auch nicht unter Heranziehung der Begründung konkretisieren lässt und die Ungewissheit über die zukünftige Bebauung gemäß den Festsetzungen des Bebauungsplans für die Planbetroffenen nicht mehr zumutbar ist. Andererseits muss auch nicht alles geregelt werden, was geregelt werden kann (Grundsatz der planerischen Zurückhaltung).
- Das Verfahren bei der Aufstellung von Bauleitplänen (Formelle Seite) Für die Aufstellung von Bauleitplänen hat der deutsche Gesetzgeber ein bestimmtes Verfahren vorgesehen.
- Aufstellungsbeschluss (§ 2 Abs. 1 BauGB)
Zunächst ist ein sog. Aufstellungsbeschluss des Rates der Gemeinde erforderlich, für ein bestimmtes Gebiet innerhalb der Gemeinde einen Bauleitplan aufzustellen (§ 2 Abs. 1 BauGB). In dringenden Fällen kann ein solcher Beschluss von dem Bürgermeister oder dem stellvertretenden Bürgermeiser zusammen mit dem Ausschussvorsitzenden und einem anderen dem Ausschuss angehörenden Ratsmitglied erlassen werden. Der Beschluss ist ortsüblich bekannt zu machen. Erst mit der Veröffentlichung erhält der Beschluss seine Rechtswirksamkeit.
- Planentwurf und Begründung
Die Gemeinde selbst oder ein von ihr beauftragtes Planungsbüro fertigen einen Planentwurf. Der Planentwurf muss eine Begründung enthalten; die Begründung muss den Umweltbericht der Plan-UP umfassen. Wird gegen die Begründungspflicht verstoßen, ist dieser Mangel nur beachtlich, wenn er innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Plans gerügt wird (§§ 214 Abs. 1 Nr. 3, 215 Abs. 1 BauGB). Eine lediglich unvollständige Begründung ist demge-genüber nach § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unschädlich.
III. Anhörungsverfahren (§ 3 Abs. 1 BauGB)
Das Verfahren der Anhörung dient der möglichst frühzeitigen Erörterung des Planentwurfs mit der Öffentlichkeit, damit diese noch vor einer Festlegung des Gemeinderats Einfluss auf die Bauleitplanung nehmen kann. Die Anhörung verlangt Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung, so dass auf eine mündliche Besprechung der Bauleitpläne mit den betroffenen Bürgern nicht verzichtet werden kann.
- Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB)
Nach § 4 BauGB sollen Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange frühzeitig unterrichtet und ihnen Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben werden. Rechtliche Vorgaben, welche Behörden oder sonstige Stellen im Rahmen des Planungsverfahrens beteiligt werden müssen oder sollten, gibt es nicht. In Betracht kommen alle, deren öffentlicher Aufgabenbereich je nach Lage des Einzelfalls betroffen sein kann; insoweit vor allem: Gewerbeaufsicht, Umweltbehörden, Landschaftsbehörden, Energieversorgungsunternehmen, Telekommunikationseinrichtungen, anerkannte Naturschutzverbände sowie die benachbarten Gemeinden. Die Behörden haben ihre Stellungnahme nach § 4 Abs. 2 BauGB grundsätzlich innerhalb eines Monats abzugeben. Die Frist kann sowohl verlängert (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BauGB) als auch verkürzt (§ 4 a Abs. 3 BauGB) werden. Bei Fristüberschreitung können die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 6 BauGB unberücksichtigt bleiben.
- Öffentliche Auslegung (§ 3 Abs. 2, § 4 a BauGB)
Den wichtigsten Teil der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Bauleitplanung stellt die öffentliche Auslegung dar. Hierzu ist zunächst Ort und Dauer der Auslegung mindestens 1 Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen. Dabei muss die Stelle, bei der die Pläne eingesehen werden können, genau bezeichnet werden. Die bekannt gemachte Bezeichnung des Bebauungsplans muss so gewählt sein, dass sie die sog. Anstoßfunktion erfüllt, also der betroffene Grundstückseigentümer erkennt, dass sein Grundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans liegt. Die Bekanntmachung muss so erfolgen, dass sie dem an der Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregungen und Bedenken bewusst macht. Hierfür reicht die schlagwortartige geographische Bezeichnung aus. Die Auslegung dauert einen Monat. Innerhalb der Monatsfrist kann jedermann Anregungen vorbringen; dieses muss schriftlich oder zur Niederschrift der Gemeinde geschehen. Ein Versäumnis der Frist hat zur Folge, dass die Gemeinde die Anregungen nicht zu prüfen und die Entscheidung hierüber nicht mitzuteilen braucht. Der Gemeinderat muss allerdings bei der Abwägung inhaltlich nach § 4 a Abs. 6 BauGB auch verspätete Einwendungen berücksichtigen, soweit er die geltend gemachten Belange kannte oder hätte kennen müssen oder die Einwendungen für die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans von Bedeutung sind. Die fristgerecht eingebrachten Bedenken müssen dem Gemeinderat bekannt gegeben und von diesem geprüft werden. Über das Ergebnis ist der Einsprecher zu informieren. Ein Verstoß gegen die Formvorschriften des § 3 Abs. 2 BauGB führt stets zur Nichtigkeit des Bebauungsplans, sofern der Fehler innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB gerügt wird.
- Übertragung auf Private (§ 4 b BauGB)
Zur Beschleunigung des Verfahrens kann die Gemeinde nach § 4 b BauGB sowohl die Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB als auch die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nach § 4 BauGB einem Dritten übertragen. In der Regel handelt es sich bei dem Dritten um einen Bauträger, der an der möglichst schnellen Ausweisung eines neuen Baugebiets interessiert ist. Diese “Privatisierung” ist problematisch. Der Projektträger darf nicht an Stelle der Gemeinde die Planungsentscheidung treffen. Es ist allein Aufgabe der Gemeinde, die Abwägungsentscheidung eigenverantwortlich zu treffen.
VII. Satzungsbeschluss (§ 10 BauGB)
Nach Abschluss des Auslegungsverfahrens beschließt der Gemeinderat endgültig über die Bauleitplanung. Soweit es um die Aufstellung eines Bebauungsplans geht, ist dieser Beschluss nach § 10 BauGB in Form einer Satzung zu fassen. Es wird damit eine Rechtsnorm geschaffen, die vor den deutschen Obergerichten im Wege des sog. Normenkontrollverfahrens überprüft werden kann. Der Bebauungsplan muss in seiner endgültigen Fassung ausgefertigt, d.h. vom Bürgermeister mit Namen und Amtsbezeichnung unterschrieben werden. Die Ausfertigung ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, ergibt sich aber aus dem deutschen Rechtsstaatsprinzip.
VIII. Genehmigung (§§ 6, 10 Abs. 2 BauGB)
Der Flächennutzungsplan bedarf für seine Wirksamkeit der Genehmigung nach § 6 BauGB. Das Gleiche gilt nach § 10 Abs. 2 BauGB für Bebauungspläne, die ohne vorherigen Flächennutzungsplan aufgestellt worden sind. Die (höhere) Genehmigungsbehörde hat die Genehmigung zu erteilen, wenn der Bauleitplan ordnungsgemäß zustande gekommen und auch inhaltlich rechtmäßig ist. Die Genehmigungsbehörde ist hinsichtlich der Kontrolle des Bauleitplans ebenso beschränkt wie das Verwaltungsgericht. Die Genehmigung ist innerhalb von 3 Monaten zu erteilen; wird diese Frist jedoch versäumt, gilt die Genehmigung als erteilt.
- Bekanntmachung (§ 10 Abs. 3 BauGB)
Die Genehmigung des Bebauungsplans bzw. der Satzungsbeschluss sind ortsüblich bekannt zu machen und zugleich der Bebauungsplan zur Einsicht bereitzuhalten. Der Bebauungsplan selbst wird nicht bekannt gemacht. Das BVerfG hat entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip keine bestimmte Form der Bekanntmachung vorschreibt, sondern lediglich verlangt, dass sich jeder Betroffene Kenntnis vom Inhalt der Rechtsnorm verschaffen kann . Eine unterbliebene Bekanntmachung führt jedoch zur Nichtigkeit des Bebauungsplans.
- Vereinfachtes Verfahren (§§ 13, 13 a BauGB)
Die Änderung und Ergänzung eines Bebauungsplans kann nach § 13 BauGB in einem vereinfachten Verfahren durchgeführt werden , sofern die Grundzüge des Bebauungsplans nicht berührt werden oder im nichtbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) bei der Aufstellung eines Bebauungsplans von der bestehenden baurechtlichen Situation nicht wesentlich abgewichen wird. Im vereinfachten Verfahren kann von bestimmten Aufstellungsvoraussetzungen (z.B. frühzeitigte Unterrichtung, Umweltbericht, Stellungnahmen) abgesehen werden.
- Die Abwägung der Belange nach § 1 Abs. 6, 7 BauGB (Materielle Seite)
- Allgemeines
Kernstück der gemeindlichen Bauleitplanung ist die Abwägung öffentlicher und privater Belange betreffend die Art und Nutzung der in Aussicht genommenen städtebaulichen Entwicklung. Bei der Abwägung steht der Gemeinde grundsätzlich ein planerischer Freiraum zu. Die Gemeinde muss im Einzelfall entscheiden, welche Belange so gewichtig sind, dass andere Belange zurücktreten müssen. Hierbei hat die Gemeinde nicht nur die o.g. Planungsleitsätze, sondern auch einige allgemein gültige Abwägungsgrundsätze zu beachten.
- Abwägungsprinzipien
- Gebot der Abwägungsbereitschaft
Das Gebot der Abwägungsbereitschaft besagt, dass die Gemeinde bei der Planung für alle in Betracht kommenden Planungsvarianten offen sein muss, also nicht von vornherein auf eine bestimmte Planung festgelegt ist. Dieses Prinzip wird z.B. verletzt, wenn die Gemeinde alternative Planungsmöglichkeiten nicht in ihre Erwägungen einbezieht, weil dieses zu einer zeitlichen Verzögerung des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplans führen könnte oder die Planung von vornherein auf ein bestimmtes Ergebnis fixiert ist. Das Gebot der Abwägungsbereitschaft gerät allerdings in der kommunalen Praxis nicht selten in Widerstreit mit der Notwendigkeit, bereits bei der Bauleitplanung auf die Bedürfnisse und Wünsche derjenigen einzugehen, die im Bebauungsplangebiet Gebäude errichten oder gewerbliche Anlagen schaffen wollen. Deshalb ist die Vorstellung, die Bauleitplanung müsse frei von jeder Bindung erfolgen, lebensfremd; gerade bei größeren Objekten, etwa der Industrieansiedlung oder der Planung ei-nes ganzen neuen Stadtteils, wird häufig mehr Bindung als planerische Freiheit vorhanden sein. Der Grundsatz ist deshalb so zu verstehen, dass überflüssige Vor-Festlegung der Gemeinde nicht erfolgen soll – Stichwort: Ergebnisoffen.
- Zusammenstellen des Abwägungsmaterials
Die Gemeinde kann nur dann eine rechtsstaatliche Planungsentscheidung treffen, wenn sie alle von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange in die Abwägung einstellt. In der Praxis bereitet gerade das Zusammenstellen des Abwägungsmaterials die meisten Schwierigkeiten und führt zu Abwägungsfehlern mit der Folge der Nichtigkeit des Bebauungsplans. Grundsätzlich müssen alle Belange berücksichtigt werden, die “nach Lage der Dinge” betroffen sind. Dabei sind nicht nur die positiven Aspekte der Bauleitplanung zu berücksichtigen, sondern auch die mit der Planung verbundenen negativen Auswirkungen. Natürlich kann die Gemeinde bei ihrer Bauleitplanung “nicht alles sehen”. Es ist gerade der Zweck der Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange, der Gemeinde die Kenntnis der Betroffenheit der verschiedenen öffentlichen und privaten Belange zu vermitteln. Zu der Berücksichtigung privater Belange gibt es eine umfangreiche Kasuistik des BVerwG, auf die hier aus Zeit-gründen nicht näher eingegangen werden kann. Genannt seien nur: privates Eigentum, Beibehaltung des bisherigen Grundstückzustandes, Schutz vor heranrückender Wohnbebauung ebenso wie Schutz vor Immissionen (Lärm, Gerüche, Gase). Bsp. a) Beeinträchtigung der Aussicht durch ein neues Baugebiet in der bisher freien Land-schaft b) Die Beeinträchtigung durch eine Steigerung des Verkehrslärms ist auch dann abwägungsrelevant, wenn die Zumutbarkeitsgrenze der VerkehrslärmschutzVO nicht überschritten wird. Nicht in die Abwägung einzustellen sind allerdings rein wirtschaftliche Belange, ins. das Interesse an der Erhaltung einer günstigen Marktlage; das Bauplanungsrecht ist wettbewerbsrechtlich neutral. Bsp. Das Interesse eines vorhandenen Einzelhandelsgeschäfts an der Verhinderung der Ansiedlung eines Einkaufszentrums ist bei der Abwägung nicht zu berücksichtigen. Um-gekehrt sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen vorhandene Einzelhandelskonzepte einzu-beziehen, doch können diese im Rahmen der Abwägung überwunden werden.
- Gebot der Rücksichtnahme
Das Gebot der Rücksichtnahme wurde vom BVerwG vor allem im Rahmen des Nachbarschutzes herangezogen. Es ist aber in seinem objektiv-rechtlichen Gehalt auch bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu beachten. Das Gebot der Rücksichtnahme bedeutet inhaltlich, dass jedes Bauvorhaben auf die Umgebung Rücksicht nehmen und Auswirkungen vermeiden muss, die zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung anderer Grundstücke führen. So ist z.B. der vom BVerwG entwickelte Grundsatz, dass Wohnbebauung und immissionsträchtige gewerbliche Nutzung räumlich zu trennen sind, auf das Gebot der Rücksichtnahme zurückzuführen; ein Bebauungsplan, der in unmittelbarer Nachbarschaft eines Wohngebiets ein großes Industrieunternehmen vorsieht, verstößt deshalb gegen das Gebot der Rücksichtnahme und ist nich-tig. Ebenso wird das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft eines immissionsträchtigen Gewerbebetriebs ein Wohngebiet geplant wird. Der Verpflichtung zur Trennung von Wohngebieten und gewerblicher Nutzung kann zum einen dadurch entsprochen werden, dass zwischen einer reinen Wohnbebauung und einem Gewerbe- oder Industriegebiet ein hinreichend großer Abstand gewahrt wird oder aber eine Gliede-rung des Gewerbegebiets, dass in der Nachbarschaft des Wohngebiets nur emissionsarme Betriebe errichtet werden dürfen. Zum andern kann der erforderliche Schutz des Wohngebiets vor Immissionen durch besondere Vorkehrungen (Lärmschutzwälle o. ä.) gewährleistet werden.
- Gebot der Lastenverteilung
Wenn der Bebauungsplan, etwa für die Anlage von öffentlichen Verkehrsflächen oder die Schaffung öffentlicher Einrichtungen, die Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung von Privatgrundstücken verlangt, dann müssen die dadurch entstehenden Belastungen möglichst gleich-mäßig auf alle Grundstückseigentümer verteilt werden. Z.B. durch ein Umlegungsverfahren (§§ 45 ff. BauGB). Private Grundstücke dürfen für öffentliche Zwecke nur herangezogen wer-den, wenn keine geeignete Fläche im Eigentum der öffentlichen Hand zur Verfügung steht. Die Privatnützigkeit des Eigentums an einem Grundstück soll möglichst erhalten bleiben.
- Gebot der Konfliktbewältigung
Der Bebauungsplan muss zumindest diejenigen Festsetzungen enthalten, die zur Bewältigung der vorhandenen oder durch die vorgesehene Bodennutzung neu entstehenden städtebaulichen Konflikte notwendig sind; hierfür hat sich die Bezeichnung “Gebot der Problembewältigung bzw. Konfliktbewältigung” eingebürgert. Das BVerwG hat wiederholt klargestellt, dass bei der Bauleitplanung nicht schon alle möglicherweise auftretenden Konflikte gelöst werden müssten, sondern die Konfliktbewältigung auch dem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren oder dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren überlassen bleiben kann. Der Grundsatz der Problembewältigung verlangt für die Bauleitplanung aber zumindest, dass die Frage geklärt wird, ob überhaupt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Konfliktbewältigung möglich ist. Bsp. a) Für den Bau einer Auto-Teststrecke werden landwirtschaftlich genutzte Grundstücke benötigt. Der VGH hat es gebilligt, dass die Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplans nicht der Frage nachgegangen ist, ob Enteignungen zulässig sind, weil dieses im nachfolgen-den Enteignungsverfahren geklärt werden könne und notfalls im Flurbereinigungsverfahren Ersatzgelände bereitgestellt werden könnte. b) Ein Bebauungsplan, der eine Fläche für eine Schule vorsieht, braucht nicht bereits festzulegen, wo die für den Nachbarn besonders störenden Sportanlagen der Schule errichtet werden sollen.
III. Die gerichtliche Überprüfung der Abwägung
Die Überprüfung von Planungsentscheidungen erfolgt in Deutschland durch die Aufsichtsbehörde (Genehmigung), durch die Verwaltungsgerichte (inzidente Normenkontrolle) und die Oberverwaltungsgerichte (Normenkontrolle) nach folgenden Grundsätzen: “Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet.” Diese Grundsätze sind in der baurechtlichen Literatur als Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität schlagwortmäßig zusammengefasst worden. Demgegenüber werden Fehler bei der Ermittlung oder Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB) nach dem Gesetz als Verfahrensfehler eingestuft, im Übrigen betreffen die Mängel das Abwägungsergebnis. Bsp. a) Abwägungsausfall Die Stadt R. schließt mit einem großen Kaufhauskonzern einen Vertrag über die Schaffung einer Filiale in R. und verpflichtet sich, den hierfür erforderlichen Bebauungsplan aufzustellen. Der Gemeinderat hält sich bei der Abwägung der verschiedenen Belange für an diese – in Wirklichkeit nichtige – Vereinbarung gebunden. Bsp. b) Abwägungsdefizit 1. Der Gemeinderat beschließt die Ausweisung eines Allgemeinen Wohngebiets in der Nachbarschaft einer Haut-Leimfabrik, ohne sich über die von dieser Fabrik ausgehenden Geruchs-emissionen zu informieren. 2. Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans wird einem Verdacht, der Boden enthalte Altlas-ten, nicht weiter nachgegangen. Nach Ansicht des Obergerichts muss die Gemeinde zwar nicht von sich aus Ermittlungen über Altlasten anstellen, aber einem auftauchenden Verdacht nach-gehen. Bsp. c) Abwägungsfehleinschätzung 1. Der Rat einer Gemeinde geht zu Unrecht davon aus, dass bei einem Abstand von 100 m zwischen einem großen Kuhstall und einer Wohnbebauung nicht mit Geruchsbelästigungen zu rechnen sei. 2. Der Rat einer Gemeinde “verharmlost” die Gesundheitsgefahr durch eine Schwermetall-Verunreinigung des Erdbodens. Bsp. d) Abwägungsdisproportionalität 1. Der Gemeinderat beschließt einen Bebauungsplan, der unmittelbar neben einem großen Wohngebiet in einem unter Landschaftsschutz stehenden Gelände ein Industriegebiet (Flachglasfabrik) vorsieht, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Hierin liegt jedenfalls dann ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot, wenn auch ein anderes, weniger schutzwürdiges Gelände für die Industrieansiedlung zur Verfügung steht. 2. Der Rat einer Gemeinde geht bei der Planung eines neuen Fußballstadions von einer zu niedrigen Zahl der erforderlichen Parkplätze aus. Die Bedeutung von Abwägungsfehlern hat mit § 214 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 2 BauGB eine bedeutsame Einschränkung erfahren. Danach wird nunmehr nur noch zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis unterschieden. Ersteres bedeutet das Zusammenstellen des Abwägungsmaterials , d.h. die Gewinnung der notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Erkenntnisse für die zu treffende Planungsentscheidung. Das Abwägungsergebnis bezieht sich demgegenüber auf die Gewichtung des Abwägungsmaterials und die darauf beruhende Entscheidung zugunsten bestimmter öffentlicher oder privater Belange. Mängel im Abwägungsvorgang sind nach der gesetzlichen Regelung nur noch erheblich, wenn sie offensichtlich sind und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind; Mängel im Abwägungsergebnis führen demgegenüber stets zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
- Der Inhalt des Bebauungsplans (§ 9 BauGB)
Der Inhalt des Bebauungsplans ist gesetzlich vorgegeben und abschließend. Bedeutsam ist vor allem, dass Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die Bauweise, die überbaubaren Grundstücksflächen und die Stellung der baulichen Anlagen im Bebauungsplan festgesetzt werden können. Zur Konkretisierung dieser Regelung hat der deutsche Gesetzgeber die Baunutzungsvervordnung (BauNVO) geschaffen, die weitere Einzelheiten zu den festzusetzenden Inhalten enthält.
- Art der baulichen Nutzung (§§ 1–15 BauNVO)
Diese Festsetzung im Bebauungsplan betrifft die Art des Baugebietes, für welche die BauNVO einen abschließenden Katalog bereithält. Dieser Katalog ist für die Gemeinde bindend; zusätzliche Baugebiete können von ihr nicht geschaffen werden. In Deutschland sind folgende grundsätzliche Baugebiete möglich: • Kleinsiedlungsgebiete • reine und allgemeine Wohngebiete • besondere Wohngebiete • Dorfgebiete • Mischgebiete • Kerngebiete • Gewerbe- und Industriegebiete • Sondergebiete Die Gemeinden können allerdings nach § 1 Abs. 4–6 BauNVO abweichende Regelungen treffen, indem sie bestimmte zulässige Nutzungen ausschließen oder das Regel-Ausnahme-Verhältnis anders gestalten. Eine solche abweichende Gestaltung darf jedoch nicht dazu führen, dass der Gebietscharakter als solcher verloren geht. Bsp. a) In einem Mischgebiet darf die gewerbliche Nutzung nicht so weit eingeschränkt werden, dass das Gebiet praktisch zu einem allgemeinen Wohngebiet wird ; ebenso darf aber in einem Mischgebiet auch nicht die Errichtung von Wohngebäuden ausgeschlossen werden, weil dadurch faktisch ein Gewerbegebiet geschaffen würde. b) Im Dorfgebiet darf landwirtschaftliche Nutzung nicht ausgeschlossen werden. c) Im allgemeinen Wohngebiet darf nicht jede andere Nutzung außer Wohnen ausgeschlossen werden, weil dadurch ein reines Wohngebiet entsteht.
- Maß der baulichen Nutzung (§§ 16–21 BauNVO)
Der Gemeinderat kann ferner nach §§ 16 ff. BauNVO das Maß der baulichen Nutzung bestimmen, in dem er die Grundflächen- und Geschossflächenzahl, die Geschosszahl sowie die Gebäudehöhe festlegt.
III. Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche (§§ 22, 23 BauNVO)
Der Bebauungsplan kann nach § 22 BauNVO die offene oder die geschlossene Bauweise festsetzen. Offene Bauweise bedeutet, dass die Gebäude einen Abstand (Bauwich) aufweisen müssen, während sie bei geschlossener Bauweise an das Nachbargebäude angebaut werden müssen (§ 22 Abs. 2, 3 BauNVO). Offene Bauweise bedeutet aber nicht, dass die Gebäude zur Grundstücksgrenze einen Abstand einhalten müssen. Wie § 22 Abs. 2 BauNVO zeigt, können auch Doppelhäuser und sogar Reihenhäuser bis zu 50 m Länge in offener Bauweise errichtet werden, auch wenn sich Doppelhäuser und insbesondere Reihenhäuser über mehrere Grundstücke erstrecken. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG setzt ein Doppelhaus begrifflich voraus, dass die beiden Haushälften auf jeweils getrennten Grundstücken stehen, aber das Gebäude gleichwohl als bauliche Einheit in Erscheinung tritt. Während die bauliche Nutzung der Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch die Festsetzung von Grund- und Geschossflächenzahlen nur abstrakt, d.h. nicht auf das einzelne Grundstück bezogen, geregelt wird, kann die Gemeinde durch die Festsetzung von Baulinien und Baugrenzen (§ 23 BauNVO) auch bis ins Detail die Bebauung jedes einzelnen Grundstücks festlegen. Durch die Festsetzung eines sog. Baufensters, d.h. Baulinien auf allen 4 Seiten, kann die Gemeinde sogar genau den Grundriss und den Standort des Gebäudes festlegen.
- Sonstige Festsetzungen im Bebauungsplan
Neben diesen in beinahe allen Bebauungsplänen anzutreffenden Regelungen lässt § 9 Abs. 1 BauGB noch eine Vielzahl anderer Regelungen zu, die hier nicht im Einzelnen dargestellt wer-den können. Zu erwähnen sind vor allem Folgende mögliche Festsetzungen: Flächen für den Gemeinbedarf (Nr. 5), Verkehrsflächen (Nr. 11), Versorgungsflächen (Nr. 12), öffentliche und private Grünflächen (Nr. 15), Flächen für Gemeinschaftsanlagen (Nr. 22), Flächen für Lärmschutzwälle und ähnliche Einrichtungen zum Schutz gegen Immissionen (Nr. 24).
- Der fehlerhafte Bebauungsplan
Rechtsfolge von formellen und materiellen Fehlern beim Erlass einer Rechtsnorm ist nach all-gemeinen Grundsätzen die Nichtigkeit der Norm. Hiervon machen §§ 214–216 BauGB in beträchtlichem Umfang eine Ausnahme. Der Gesetzgeber hat im Interesse der Planerhaltung die sonst allgemein gültigen Regeln über die Rechtsfolgen von Fehlern bei Rechtsnormen durchbrochen und ein recht kompliziertes System von unbeachtlichen, innerhalb einer bestimmten Frist (§ 215 Abs. 1 BauGB) beachtlichen und auch ohne Rüge stets beachtlichen Fehlern ersetzt. Der Gesetzgeber will durch §§ 214, 215 BauGB verhindern, dass Bebauungspläne, die sich inhaltlich im Rahmen der Planungshoheit der Gemeinde halten, im Wege des Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO oder einer verwaltungsgerichtlichen Inzidentkontrolle bei baurechtlichen Streitigkeiten für nichtig befunden werden, weil dem Gemeinderat bei dem Abwägungsvorgang ein unwesentlicher formaler Fehler unterlaufen ist. Verfahrensfehler sind nur beachtlich, wenn die von der Planung berührten Belange nicht zu-treffend ermittelt oder bemerkt worden sind (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 BauGB), die Vorschriften über die Bürgerbeteiligung oder die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sowie über einen Bebauungsplan im vereinfachten oder beschleunigten Verfahren nach §§ 13 Abs. 2, 13 a BauGB (Nr. 2), die Begründung des Bebauungsplans (Nr. 3), den Satzungsbeschluss nach § 10 BauGB oder das Genehmigungsverfahren nach § 10 Abs. 2 BauGB sowie die Bekanntmachung (Nr. 4) nicht eingehalten worden sind. Die beachtlichen Form- und Verfahrensfehler müssen innerhalb von einem Jahr schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt worden sein. Einen Verstoß gegen Vorschriften der Gemeindeordnung stellt insbesondere die Beteiligung von befangenen Gemeinderäten bei dem Satzungsbeschluss nach § 10 BauGB dar. Die Mitwirkung eines befangenen Ratsmitgliedes führt zur Nichtigkeit des Bebauungsplans, wobei es darauf ankommt, ob dieser befangene Gemeinderat Einfluss auf die Entscheidung über den Bebauungsplan genommen hat (§ 31 Abs. 6 GO NRW). Rügeberechtigt ist jedermann. Eine ordnungsgemäß und fristgerecht geltend gemachte Rüge eines Abwägungsfehlers bewirkt, dass der gerügte Fehler in jedem Gerichtsverfahren grundsätzlich beachtlich ist und dort von dem jeweiligen Antragsteller beziehungsweise Kläger zeitlich unbeschränkt geltend gemacht werden kann. § 214 Abs. 4 BauGB hat die nachteiligen Folgen der Fehlerhaftigkeit eines Bebauungsplans weiter eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift kann der Fehler nämlich häufig durch ein Planergänzungsverfahren bereinigt werden. Mängel des Bebauungsplans können durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden; der fehlerfreie Bebauungsplan kann auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Die Vorschrift findet sowohl für Verfahrensfehler als auch für materiell-rechtliche Fehler Anwendung. Bei materiell-rechtlichen Fehlern ist eine Fehlerheilung durch ein ergänzendes Verfahren unproblematisch, soweit es sich lediglich um eine Planergän-zung handelt. Die Behebung eines Abwägungsfehlers durch ein ergänzendes Verfahren ist allerdings nur zulässig, wenn dadurch die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Es wäre z.B. nicht zulässig, im Wege eines ergänzenden Verfahrens den Baugebietscharakter grundlegend zu verändern, etwa aus einem Wohngebiet ein Mischgebiet zu machen. Die nachträgliche “Planreparatur” ist nur möglich bei punktuellen Nachbesserungen im Rahmen einer ansonsten ordnungsgemäßen Gesamtplanung. Die Planerhaltungsvorschriften gelten sowohl in Normenkontrollverfahren als auch bei der Inzidentkontrolle eines Bebauungsplans. Demgegenüber gelten die §§ 214, 215 BauGB nach § 216 BauGB nicht für das Genehmigungsverfahren; die Genehmigungsbehörde muss also die Genehmigung versagen, wenn bei der Aufstellung des Bebauungsplans gegen die Vorschriften des BauGB verstoßen worden ist. Bedient sich eine Gemeinde des Mittels der Rückwirkungsanordnung zur Heilung von Form- oder Verfahrensfehlern, so stellt sie die Weichen für die städtebauliche Ordnung nicht im Nachhinein anders, sondern sie ersetzt lediglich einen formell fehlerhaften durch einen inhaltsgleichen fehlerfreien Plan.