Der Schutz der Umwelt im Spannungsfeld zur wirtschaftlichen Betätigung
Dr. Joachim Becker, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Münster
Die Stadt S stellt einen Plan für den Neubau einer als Gemeindestrasse vorgesehenen Ortsumgehung auf, die etwa 1 km vom Ortskern entfernt durch einen bislang landwirtschaftlich genutzten Bereich führen soll. Diese Ortsumgehung soll den innerstädtischen Durchgangsverkehr entlasten und auch denjenigen gewerblichen Verkehr (d. h. auch Lastkraftwagen) aufnehmen, der im Zuge eines geplanten und teilweise schon verwirklichten Gewerbegebiets entstehen und dann zur nächstgelegenen Autobahn geleitet wird. Der Plan wird von der zuständigen Behörde durch „Planfeststellungsbeschluss“ (nach deutschem Recht ein Verwaltungsakt) festgestellt.
Für den Neubau der Ortsumgehung muss eines der Grundstücke des Landwirts L in Anspruch genommen werden. L, der erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen befürchtet, wendet sich mit der Anfechtungsklage an das zuständige Verwaltungsgericht und macht geltend:
– Die Stadt S sei für die Aufstellung des Plans gar nicht zuständig gewesen, da der gewerbliche Straßenverkehr zur Autobahn weitergeleitet werden solle; die Ortsumgehung habe daher überörtliche Bedeutung und falle in die Planungskompetenz des Kreises, nicht der Stadt.
– Der Bau der Ortsumgehung sei gar nicht notwendig. Das vorhandene Straßensystem reiche zur Bewältigung des Verkehrs aus. Unabhängig davon fehle es derzeit am Geld für den Neubau; in Deutschland werde angesichts leerer Kassen allenfalls noch in die Sanierung der maroden vorhandenen Straßen investiert, nicht aber in den Straßenneubau.
– Die geplante Ortsumgehung nehme ohne Notwendigkeit landwirtschaftliche Flächen in Anspruch. Der Außenbereich hätte geschont werden können, wenn die Ortsumgehung näher an den Ortskern heran geplant worden wäre.
– Im Bereich der geplanten Trasse gebe es kleine Tümpel, in denen eine seltene Art von Molchen (Amphibien) vorkomme; zudem seien im Bereich der Trasse Brutstätten für Fledermäuse und geschützte Vogelarten anzutreffen.
Die beklagte Behörde tritt dem entgegen:
– Die Zuständigkeit der planenden Behörde sei gegeben. Bei der geplanten Ortsumgehung handle es sich um eine gemeindliche Hauptverkehrs- und Zubringerstraße, die nicht in die Planungskompetenz des Kreises falle.
– Wegen der völligen Verkehrsüberlastung der Innenstadt und der Weiterentwicklung des Gewerbegebiets bestehe für den Bau der Ortsumgehung ein dringendes Bedürfnis. Voraussichtlich sei in 2 Jahren wieder mit finanziellen Mitteln für den Straßenneubau zu rechnen.
– Die vom Grundsatz her wünschenswerte Schonung des Außenbereichs und des dortigen Bodens sei nicht realisierbar, da eine nähere Heranführung der Trasse an den Ortskern zu übermäßigen Lärmbelastungen der dortigen Wohngebiete führe.
– Für die bedrohte Tierwelt würden umfangreiche Ausgleichs- und Schutzmaßnahmen vorgesehen, z. B. die Anlegung eines Ersatzgewässers, in das die Molche umgesiedelt werden könnten, und auch Rückzugsräume für die bedrohten Fledermäuse und Vögel in ausreichendem Abstand zu der geplanten Trasse.
Kann L im Verwaltungsprozess seine verschiedenen Einwände mit Erfolg zur Geltung bringen? Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?
Im Zuge des in Deutschland beschlossenen Ausstiegs aus der Atomkraft und der verstärkten Nutzung der Windenergie beantragt die Firma Eolo bei der zuständigen Behörde die nach deutschem Recht erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine „Windfarm“ mit 17 Windrädern.
Die Genehmigungsbehörde lehnt aber die Genehmigung unter Berufung auf die vorrangigen Belange des Artenschutzes ab. Der geplante Windpark sei mit dem Schutz des Rotmilans (Milvus milvus) und des Schwarzmilans (Milvus migrans) – beides große Greifvögel aus der Familie der Habichtartigen – nicht vereinbar. Ganz in der Nähe der Windfarm seinen Brutplätze des Rotmilans nachgewiesen worden; 500 m entfernt von einem der Windräder befinde sich ein von einem Schwarzmilanpaar genutzter Horst. Das für den Windpark vorgesehene Gebiet sei das einzig verbliebene, großflächig ungestörte Nahrungshabitat für Greifvögel in diesem Raum; die Flugkorridore der Vögel zu den Nahrungsstätten führten unmittelbar durch die Windfarm. In ihrem ablehnenden Bescheid stützt sich die zuständige Behörde auf
– § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesimmissionsschutzgesetzes: „Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften…der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.“
sowie auf
– § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes. „Es ist verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.“
Nach Maßgabe dieser Bestimmungen seien – so die Behörde – die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Genehmigungsantrags erfüllt, was ihre Fachabteilung „Naturschutz“ in einem der ökologischen Wissenschaft und Praxis entsprechenden Gutachten festgestellt habe.
Die Firma Eolo wendet sich an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag, die Behörde zu verpflichten, ihr, der Firma, die beantragte Genehmigung zu erteilen (das deutsche Verwaltungsprozessrecht sieht die Verpflichtungsklage vor). Dabei sei die Ablehnung der Genehmigung vom Verwaltungsgericht vollständig überprüfbar. Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?